Herwig Turk: referenzlose fotografie
Mit einem Fokus auf den ontologischen Status von Bild und Bildlichkeit im “post-fotografischen Zeitalter”nahm Turk in dem Nachfolgeprojekt referenceless photography (1998–2003) die Herstellung und Praxis technischer bildgebender Systeme in der Medizin und den Naturwissenschaften und deren Verhältnis beziehungsweise Referenz zur Wirklichkeit in den Blick. Obwohl visuelle Evidenz auf kulturellen und erlernten Interpretationen beruht, gelten in den Naturwissenschaften Bilder oftmals nach wie vor als “objektive Instanzen”, die sich angeblich unverfälscht und unmittelbar erschliessen lassen. Mit referenceless photography lenkt Turk die Aufmerksamkeit auf die symbolischen und medialen Praktiken der Herstellung von “Sichtbarkeit” und “Sichtbarmachung” in den Naturwissenschaften, die mit der “tikonischen Wende”eine besondere Brisanz bekommen haben. Bereits der Titel markiert den Rahmen, in
dem sich die künstlerische Auseinandersetzung mit den Bildwelten der Wissenschaften vollzieht, bezieht sich dieser doch auf den Topos von der “Referenzlosigkeit”digitaler Bilder beziehungsweise bildgebender Systeme. Heute basiert die Mehrzahl der bildlichen
Repräsentationen in der Medizin und den Naturwissenschaften nicht mehr auf abbildenden, sondern auf bildgebenden Verfahren, wodurch das indexikalische Band zwischen Bild und Referenzobjekt in diesen Wissengebieten stark gelockert wurde. [...]
Ingeborg Reichle (2008)